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Loslassen lernen

„Die Dinge loszulassen bedeutet NICHT, sie loszuwerden. Sie loslassen bedeutet, dass man sie SEIN lässt.“, sagt der Buddhist und Meditationslehrer Jack Kornfield. Eine Betrachtungsweise, die das Annehmen des IST-Zustands betont, bei vielen Lebensthemen hilfreich ist und eine der Grundpfeiler meiner zufriedenen Abstinenz bildet.

Das Leben hält für jeden Menschen auch schwierige Situationen, belastende Ereignisse oder Konflikte bereit, die mich fordern oder an meine Belastungsgrenzen bringen können. Es mag verlockend erscheinen, einfach den „problematischen“ Menschen, den „scheiß Job“ oder die frustrierende Beziehung schnell loszuwerden und dann würden die unangenehmen Gefühle wie Ärger, Wut, Traurigkeit oder Schamgefühl automatisch ebenfalls verschwinden.

Ganz nach dem Motto „Wenn ich nichts und niemanden an mich heranlasse, kann ich auch nicht verletzt werden.“ Klingt zunächst logisch, doch dabei handelt es sich um eine Vermeidungsstrategie, die einen sehr hohen Preis hat: ich verschließe mein Herz nicht nur vor eventuellen Verletzungen, sondern gleichzeitig immer auch vor einer echten Lebensfreude und den vielen schönen Momenten und Gefühlen, die eine emotionale Verbindung mit meiner Umwelt und meinen Mitmenschen immer auch bereithalten kann. Und mit dieser Schutzstrategie beraube ich mich selbst auch der Weiterentwicklungsmöglichkeiten, die die Bewältigung schwieriger Lebenssituationen und Krisen bietet.

Doch wie kann eine andere Art der Bewältigung aussehen?

Gerade bei sehr komplexen Herausforderungen, wie z.B. der Pflege eines nahestehenden Menschen, wenn Kinder im Spiel sind oder die eigene Gesundheit leidet, gilt es abzuwägen und zu schauen, welche Handlungs- und Hilfsmöglichkeiten es gibt. Wichtig: dein Selbstschutz (und der deiner Kinder falls du welche hast) geht vor! Dies ist keine Anleitung, in toxischen Beziehungen zu verharren, oder sich Übergriffe oder Gewalttätigkeiten schönzudenken. In solchen Fällen hole dir unbedingt beratende und unterstützende Hilfe von Fachstellen wie Caritas & Co. und verlasse Situationen, die dich körperlich oder seelisch schädigen!

Es soll hier viel mehr um die eher alltäglichen Krafträuber gehen, die kleinen Streitigkeiten die immer wieder um dieselben Themen kreisen und die Konflikte, die sich an vermeintlichen Nichtigkeiten entzünden, sowie Glaubenssätze oder (Selbst-)Ansprüche, die mich mehr stressen als unterstützen. Statt wie bisher zu flüchten oder Konflikte zu vermeiden, magst du vielleicht einen neuen Umgang mit solchen Gefühlszuständen lernen? Vor allem wenn du schon festgestellt hast, dass Druck stets Gegendruck erzeugt und Gefühle, die man bloß „weghaben will“, dadurch nur umso stärker an einem kleben.

Es lohnt sich ein Blick nach innen und auf das belastende Gefühl: Wogegen bin ich eigentlich im Widerstand? Gegen diesen Menschen als Ganzes? Ein Verhalten? Die Situation? Gegen mich selbst?

Jedes Gefühl beinhaltet eine wichtige Botschaft für mich, zeigt dass ich lebendig bin und kann mir dienen, wenn es mir gelingt, seine Botschaft anzunehmen. Das Abspalten oder Verdrängen von unangenehmen Gefühlszuständen beraubt mich somit einer wichtigen Orientierungsmöglichkeit. Wie kann es also gelingen, belastende Emotionen besser anzunehmen und auszuhalten?

Durch meine eigene Genesungsgeschichte habe ich erfahren, wie viel unnötigen Stress ich mir durch meine eigenen Gedanken und Glaubenssätze gemacht habe. In meinem Kopf waren Gedanken wie „Ich reiche nicht“, „Ich bin wertlos“, „Ich brauche seine/ihre Bestätigung“ bis zu „ich muss funktionieren“ als vermeintliche Wahrheiten fest verankert. Und für jeden dieser Glaubenssätze habe ich zahlreiche „Beweise“ im Außen gefunden: Männer, die mich für andere Frauen verließen, Erlebnisse von Ausgrenzungen und Mobbing, Streitereien und Vorwürfe, Jobverlust etc. schienen jeweils meine negativen Selbstüberzeugungen zu belegen und zu festigen.

Aus meiner heutigen Sicht kann ich sagen: Jeder Gedanke, der dich von dem Grundsatz „Ich bin ok – so wie ich BIN.“ trennt, ist NICHT wahr. Ja, das kann ich so pauschal und voller Überzeugung sagen. Und ich bin mir bewusst, dass sich beim Lesen dieser Sätze zunächst Widerstand in dir regen kann. Ich kann nur ermutigen, dich solchen Gedanken und Blockaden zuzuwenden und sie immer wieder zu hinterfragen.

Früher fühlte ich mich meinen negativen Gedanken, Gedankenkarussell und Katastrophendenken machtlos gegenüber und war mir nicht bewusst darüber, welchen Einfluss solche Denkweisen auf meine Gefühle und damit auch auf meine Handlungen haben.

Seit ich mit „The Work“ von Byron Katie meine stressvollen Gedanken überprüfe, lassen sie mich sehr viel schneller los und ich habe ein wirksames Tool, mit dem ich mich selbst aus belastenden Gefühlszuständen rausholen kann und mit dem ich inzwischen als Coach auch Klient:innen begleite und bei ihrer Entwicklung zu mehr Selbstwirksamkeit, Resilienz und Zufriedenheit unterstütze. Stressvolle Gedanken und übernommene Überzeugungen loszulassen ist eine wundervolle Erfahrung, die neue Kraft schenkt und den Blick wieder für neue Perspektiven öffnet.

Ohne Annehmen kein Loslassen

Vor dem Loslassen kommt das Akzeptieren dessen was IST. (Und das heißt NICHT, dass du es gut finden musst!)

Doch es gilt zu würdigen,

  1. DASS es aktuell so IST, wie es ist.
  2. dass du es dir anders gewünscht hättest, als es sich entwickelt hat.
  3. dass DU daran etwas ändern kannst. (Motto: Love it, change it or leave it.)

Der Jahreswechsel bietet sich wunderbar an, um das Loslassen zu üben. Von welchen Dingen, Gedanken, Gewohnheiten oder Menschen möchtest du dich lösen? Was belastet dich? Wem oder was schenkst du mehr Energie als dir gut tut? Und was hindert dich daran, heute schon mit dem Loslassen zu beginnen? 

Wie Loslassen gelingt:

Loslassen ist ein individueller Prozess.

Achtsamkeitsübung: Wahrnehmen & Lösen

Eine weitere Möglichkeit, die eigene emotionale Kompetenz und Achtsamkeit zu fördern, ist folgende kleine Übung. (Triggergefahr: Bitte gib bei der Durchführung Acht auf dich und wende sie nur an, wenn du dich ausreichend sicher fühlst.)

  1. Schließe die Augen, nimm ein paar tiefe Atemzüge und verfolge den Weg deines Atems von deiner Nasenspitze bis hinunter in deinen Brustraum.
  2. Rufe dir eine belastende Situation ins Gedächtnis und versuche die Emotionen, die du in dieser Situation hattest, zu spüren.
  3. Versuche aus deinem Kopf, von den Gedanken, hin zu den Empfindungen zu gehen. Lass das Gefühl da sein. So wie es ist.
  4. Was spürst du dabei in deinem Körper? Wo nimmst du dieses Gefühl wahr? Erkunde es und schaue, ob es sich vielleicht bewegt, ob es eher warm oder kalt ist, sich kribbelig anfühlt oder vielleicht bleiern schwer? Was fühlst du?
  5. Alles, was du fühlst, darf so da sein, wie es ist. Ohne Bewertungen. Sollten störende Gedanken auftauchen, lass sie einfach vorbeiziehen wie Wolken am Himmel.
  6. Versuche zu beobachten, wie sich deine Körperempfindungen verändern, mal stärker und mal schwächer werden. Heiße jede Wahrnehmung willkommen. Sie zeigt, dass du lebst und ein empfindsames Wesen bist.
  7. Mache dir bewusst, du HAST dieses Gefühl, doch du BIST NICHT dieses Gefühl. Du kannst es beobachten und einfach da sein lassen.
  8. Kein Gefühl hält ewig. Beobachte, wie sich dieses Gefühl verändert, nach und nach schwächer wird und sich von dir löst.. Dann kehre mit deiner Aufmerksamkeit wieder zurück zu deinem Atem, öffne die Augen und strecke und lockere dich.
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