Selbstmitgefühl

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Selbstmitgefühl

Mitgefühl entsteht, wenn Leiden wohlwollend wahrgenommen wird. Ein freundlicher und akzeptierender Blick auf eigenes Leiden führt zu Selbstmitgefühl. Wenn man unter Mitgefühl den Wunsch versteht, das leidende Wesen möge vom Leiden befreit werden und glücklich sein, so wäre Selbstmitgefühl dadurch charakterisiert, dass man sich das nicht nur für andere sondern auch für sich selbst wünscht. 

Wenn etwas mal nicht so läuft, wie geplant, wenn mir Missgeschicke passieren, ich in ein Fettnäpfchen nach dem nächsten trete oder nicht so leistungsfähig bin wie sonst, ist es leicht, mich dafür zu verurteilen und abzuwerten. Typische Gedanken können dann etwa so klingen:

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Lauter Gedanken, die mich in einer belastenden Situation nur weiter schwächen und selbst verletzen. Dabei gehen wir mit uns selbst teilweise sehr brutal um. Oder würdest du solche Gedanken einem guten Freund / einer guten Freundin so an den Kopf knallen, wenn ihm/ihr das Missgeschick passiert wäre? Wohl kaum. Doch warum erlauben wir uns dieses Verhalten dann uns selbst gegenüber?

Selbstmitgefühl zu lernen, war für mich ein wichtiger Schritt auf dem Weg in die zufriedene Abstinenz. Ein achtsamer und wohlwollender Umgang mit mir selbst, war mir völlig neu. Ich musste funktionieren, Leistung bringen, fehlerfrei sein. Ein Anspruch, der völlig unhaltbar war und zwangsläufig scheitern musste. Die Folge waren Selbstabwertungen und immer mehr Alkohol. Auch körperliche Schmerzen oder Warnsignale nahm ich nicht ernst. Tablette rein und weiter funktionieren. Depressionen und Ängste? Ach, stell dich doch nicht so an! Dass in meinen Symptomen eine wichtige(!) Botschaft stecken könnte, kam mir nicht in den Sinn.

Ich darf Fehler machen und ich bin ok so wie ich bin.

Anstatt mich hart zu verurteilen oder mich scharf für alle vermeint­lichen Unzuläng­lich­keiten zu kritisieren, hilft mir Selbstmitgefühl dabei, mich so anzunehmen wie ich bin.

Wenn man sich selbst wohlwollende Aufmerksamkeit schenkt (achtsame Selbstaufmerksamkeit) und sich selbst, seinen Körper und seine Bedürfnisse sowie auch bedürftige und leidende Anteile freundlich wahrnimmt (Selbstwahrnehmung) entsteht Selbstmitgefühl. Diesem folgt idealerweise Selbstfürsorge, bei der das Selbstmitgefühl in konkrete Handlungen umgesetzt wird.

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Selbstmitgefühl ist die Fähigkeit, mir selbst ein/e gute/r Freund/in zu sein.

Dadurch schaffe ich eine Basis aus Gutmütigkeit, Sanftheit, Sicherheit und Geborgenheit, die den Nährboden dafür liefert, gesund zu wachsen und mich mit anderen zu verbinden. Verfalle ich stattdessen in Selbstvorwürfe, trenne ich mich von mir selbst. Ich verlasse mich. Und das KANN sich nicht gut anfühlen! Wenn nicht einmal ich selbst, mir beistehe, wie kann ich das von jemand anderem erwarten?

Viele Menschen befürchten, es würde sie schwächer machen, nachsichtig und liebevoll mit sich selbst umzugehen. Doch das Gegenteil ist der Fall: Wer sich auch bei Fehlern mit Mitgefühl begegnet, meistert Belastungen leichter, fühlt sich besser und ist motivierter.

Die Fähigkeit zu Selbstmitgefühl lässt sich trainieren und ganz leicht in den Alltag einbauen.

Anleitung für mehr Selbstmitgefühl:

  1. Akzeptiere, dass du – genauso wie jeder andere Mensch – es verdienst, geliebt und angenommen zu werden.
  2. Akzeptiere, dass Leid und schmerzvolle Erfahrungen unvermeidbar Teil des Lebens sind. Du hast jedoch die Wahl, wie du mit ihnen (und mit dir selbst) umgehst.
  3. Übe Achtsamkeit und beobachte deine Gedanken: erkenne, wann du dich selbst verurteilst und abwertest.
  4. Hast du negative Gedanken(spiralen) entdeckt? Sage innerlich „Stop“!
  5. Überlege: Wie würdest du mit einem guten Freund umgehen, der in derselben Situation steckt? Würdest du ihn trösten? Sagen, dass das doch jedem passieren kann? Und dass es nichts mit seinem Wert als Person zu tun hat? Wie wärst du für ihn da? Wie könntest du ihn unterstützen?
  6. Behandle dich so, wie du einen guten Freund behandeln würdest. Schenke dir selbst das ganze Wohlwollen, Verständnis, Trost und Unterstützung, die du ihm geben würdest.

Selbstmitgefühl ist nicht Selbstmitleid!

Mitleid ist eine Haltung, die nie auf Augenhöhe stattfindet. Im Mitleid wird auf den zu Bemitleidenden herabgeblickt – ich stehe über ihm und seinem Leid. Im Falle von Selbstmitleid kreisen wir um unsere eigene Opferstory. Das soll uns mit Bedeutung aufladen und enthält nicht selten einen gar nicht so subtilen Appell an unsere Umwelt: Beachte mich!

Wer nie gelernt hat, sich selbst zur Seite zu stehen und für sein eigenes (emotionales) Wohlbefinden zu sorgen, verbleibt in einer gewissen Abhängigkeit von anderen. Doppelt problematisch, wenn versucht wird diesen Mangel an Verbundenheit und Zuwendung über Alkohol, Drogen oder andere vermeintlich tröstende Substanzen zu erlangen.

Zu meiner nassen Zeit hing ich in einer Selbstmitleidsspirale fest, die mich immer wieder in die „warmen“, einlullenden und immer zugänglichen Arme des Alkohols trieb. Meinen eigenen Anteil an diesem Prozess erkannte ich lange Zeit nicht. Selbstmitgefühl zu entwickeln war für mich wichtig, um Selbstwirksamkeit zu erlangen. Ich habe Einfluss auf meine Sichtweisen und meinen Umgang mit mir selbst. Ich bin mir wichtig (geworden) und daher gehe ich mitfühlend mit mir um.

Vorteile von Selbstmitgefühl

Wenn du dir mit Selbstmitgefühl begegnest,

Beginne jetzt, dir selbst ein guter Freund / eine gute Freundin zu sein. Du hast es verdient.