Weihnachten & Silvester

Frohe & suchtfreie Weihnachten!

Kaum eine Zeit im Jahr wird mit so viel Vorfreude herbeigesehnt und mit so vielen Erwartungen und Wünschen überfrachtet, wie die Weihnachtszeit. Wir erfreuen uns am Lichterglanz geschmückter Innenstädte, an leckeren Plätzchen, festlichen Weihnachtsbäumen und ungeduldigen Kinderaugen, die noch ganz verzaubert sind vom Weihnachtsmärchen und der Aussicht auf Geschenkeberge. Gleichzeitig ist Jahr für Jahr der Stresspegel in der Vorweihnachtszeit enorm hoch. Geschenke müssen besorgt werden, Weihnachtsfeiern und Familientreffen wollen organisiert und das Wohnzimmer festlich hergerichtet werden. Zwischen all diesen Verpflichtungen und eigenen Erwartungen noch Zeit für´s Innehalten und für Besinnlichkeit zu finden, ist gar nicht so leicht. Stattdessen macht sich nicht selten Erleichterung breit, wenn das Festtagsprogramm vorüber ist und ein ruhiger Januar winkt.

Corona hat dafür gesorgt, dass wir 2020 gezwungenermaßen aus dem üblichen Weihnachts-Hamsterrad ausgestiegen sind. Die meisten Geschäfte sind geschlossen und in den Fußgängerzonen finden sich keine Menschenmassen, die eilig auf der Suche nach den letzten Geschenken sind, sondern trübe Leere. Keine funkelnden und stimmungsvollen Weihnachtsmärkte und auch keine Weihnachtsfeiern und Weihnachtsessen in Restaurants oder Kneipen. Stattdessen Lockdown und die eindringliche Bitte der Politik, Kontakte so gering wie möglich zu halten – auch unter dem Weihnachtsbaum.

Einschränkungen, die für viele schmerzvoll oder zumindest „unweihnachtlich“ sind. Mit einem Mal wird die Art und Weise, wie wir seit Jahrzehnten dieses emotionale Fest begehen, komplett durcheinander gebracht. So vieles, was sonst völlig selbstverständlich „einfach dazugehört“, ist aktuell nicht möglich. 

Rückblick: Mein erstes nüchternes Weihnachtsfest

Vor gerade einmal fünf Jahren wurde die Art und Weise, wie ich bis dahin Weihnachten erlebte, ebenfalls völlig auf den Kopf gestellt. Von der Vorweihnachtszeit bekam ich kaum etwas mit, schließlich befand ich mich seit dem 27. November 2015 in der Wiehengebirgsklinik Bad Essen zur Langzeittherapie. Wenigstens Heiligabend wollte ich im Kreise meiner Familie verbringen und bat um eine Heimfahrt an Weihnachten. Eine Übernachtung außerhalb der Klinik wurde Patient*innen verwehrt, die noch keinen vollen Monat in der Klinik waren. Doch immerhin eine Tagesfahrt zu meiner Mutter wurde mir an Heiligabend gestattet.

Es war in mehrerer Hinsicht ein besonderes Weihnachtsfest für mich: statt der üblichen Geschenkeflut (die ich aus der Klinik kaum hätte alle auftreiben, geschweige denn bezahlen und transportieren können), einigten wir uns auf´s Bewichteln jeweils einer Person, die ausgelost wurde. Ein Modell, das wir bis heute beibehalten haben und das die weihnachtliche Konsumflut angenehm verringert. Dass ich bis 21 Uhr bereits wieder in der Klinik sein musste, verkürzte unseren Weihnachtsabend zwar, aber war letztendlich völlig ok. Nach Rückkehr erst einmal in den Alkoholtester zu pusten und eine Urinprobe abzugeben war ebenfalls ziemlich unweihnachtlich, aber auch das gehörte in diesem Jahr halt dazu.

Die wichtigste Veränderung war natürlich, dass dies für mich seit etlichen Jahren das erste Weihnachtsfest ohne Alkohol war. Mein erstes nüchternes Weihnachten! Statt das Heiligabendprogramm also wie jedes Jahr mehr oder weniger gleich „abzuspulen“ und mit reichlich Wein und Bier zu begießen, erlebte ich alles ganz neu und vor allem klar. Seltsam ungewohnt und faszinierend zugleich. Weder besser noch schlechter. Einfach anders.

Annehmen, was ist.

Solchen Veränderungen mit unvoreingenommener Offenheit zu begegnen und interessiert Neues anzunehmen, hilft mir sehr. Und natürlich darf der Sinn für Humor nicht fehlen! Mein Weihnachten in der „Klapse“ (ich meine dieses Wort ganz wertschätzend für die positive Art, dort aus dem Leben „ver-rückt“ zu sein) bot so einige Gelegenheiten für Situationskomik. Das Küchenpersonal hat z.B. für die Patient*innen ein liebevolles und reichhaltiges Weihnachtsbuffet gezaubert. Ich als Veganerin bekam ohnehin stets eine fleischlose „Extrawurst“, die allerdings am 1. Weihnachtstag nicht auffindbar war und kurzfristig von der Küchenhilfe improvisiert werden musste. So bestand mein Weihnachtsessen aus Kartoffeln, Rotkohl und – äußerst traditioneller (!) – Frühlingsrolle. Was haben wir gelacht!

Silvester stationär mit ganz besondrem Flair..

Auch Silvester in der Klinik war speziell. Da zwischen den Jahren kaum Therapieprogramm stattfand, freuten sich die Patient*innen über jedes bisschen Abwechslung. Für den Abend wurde im Speisesaal eine kleine Tanzfläche hergerichtet und mit bunten Lichtern beleuchtet. Eine Musikanlage, Luftballons und Luftschlangen gaben ihr bestes, um ein wenig Stimmung zu verbreiten – das ganze erinnerte letztendlich doch eher an Tanz-Tee im Seniorenheim oder eben Damen-Wahl in der Klapse. 😉 

Dass auch Silvester ohne Alkohol geht (und schmecken soll), versuchte man uns mit vier alkoholfreien Bowlen nahezubringen. Jede davon auf ihre Art ungenießbar pappig süß und es dauerte nicht lange, bis der halbe Saal von dem Zeug klebte.. Die Zeit bis Mitternacht verbrachte ich lieber etwas abseits mit einigen lieben Mitpatient*innen in der Cafeteria und wir hatten bei diversen Gesellschaftsspielen viel Spaß. Die diensthabenden Pfleger*innen und Therapeut*innen haben sich wirklich alle Mühe gegeben und begleiteten uns von Herzen in das neue – hoffentlich suchtfreie – Jahr. Mein erstes Silvester ohne Alkohol. Mein erstes abstinentes Jahr begann. Ich wusste nicht, was nun kommen sollte oder wie sich mein Leben entwickeln würde. Es würde bloß anders. Und ich war neugierig darauf, es zu entdecken.

suchtfrei-leben-das-schoenste-geschenk

Ob damals in der Klinik oder jetzt unter Corona:

Es ist, wie es ist. Ob ich daraus eine Katastrophe, einen Glücksfall oder einfach eine Gelegenheit zum Lachen mache, liegt ganz bei mir. Es hat sich für mich bewährt, auf Bewertung zu verzichten, die Dinge so zu nehmen, wie sie kommen und das Beste draus zu machen. Leichter gesagt als getan? Nur wenn du nie den Anfang machst. Jeder neue Weg braucht Übung und Geduld. Ja, du hast dir vielleicht Dinge anders gewünscht, als sie gerade sind. Erkenne das an und hab Mitgefühl für deine Traurigkeit darüber. Und dann schau mal, was es in der jetzigen Situation – so wie sie ist – zu entdecken gibt: Finde das Schöne, Dankenswerte und Besondere im Jetzt & Hier. (Das gibt es auch in deinem Leben!) Und teile dies mit den Menschen, die dir am Herzen liegen. Dann hast du alles, was ein Weihnachtsfest im Wesentlichen ausmacht, bereits gefunden.

Von Herzen wünsche ich dir ein frohes, suchtfreies Weihnachtsfest und einen guten Rutsch ins Neue Jahr!